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Ein kleiner Leitfaden zu einer belegnahen Darstellung – Teil 4

Heute möchte ich mich aus zwei Gründen den Teilnehmern von Mittelaltermärkten widmen, die dem optischen Anschein nach einem der christlichen Ritterorden angehören.

Einmal da ich als eine meiner Darstellungen die eines Ritterbruders eines nur für rund dreissig  Jahre eigenständig bestehenden Ordens verfolge und als zweiten Grund weil an diesen Darstellungen sehr oft erhebliche vermeidbare Fehler auffällig sind die den Gesamteindruck schmälern. Schlimmer noch bei Besuchern dieser Veranstaltungen ein falsches Bild vermitteln. Was für mich um so verwunderlich ist, weil gerade in den Orden wirklich jeder Aspekt (JEDER!) ausführlich geregelt war und diese Regeln noch heute für jeden, der am Aufbau einer glaubhaften Ordensdarstellung Interessierten quasi als "Bauanleitung" nachlesbar existieren.

In diesem Beitrag werde ich jetzt nicht explizit auf die einzelnen Ritterorden eingehen, nur so viel sei gesagt, dass die großen bekannteren Orden die Regeln des ersten Ritterordens übernahmen. Somit werde ich mich auf die Regeln beschränken die ich kenne und das sind die "meines" Ordens. Der die Regularien des Deutschen Orden übernahm. Diese basieren wiederum auf den Regularien der Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem (lat.: Pauperes commilitones Christi templique Salomonici Hierosolymitanis oder gemeinhin als Templer oder Tempelritter bekannt.

Gleich vorweg: das was ich hier nieder schreibe stellt meinen aktuellen Wissensstand dar, den ich den frei zugänglichen Ordensregeln der zuvor genannten Orden entnahm. Sollte ich mich in einigen Punkten irren bitte ich um Mitteilung und ggf. der korrekten Quelle.

(Wer sich für die Geschichte der christlichen Ritterorden interesiert: der entsprechende Wikipedia Artikel ist als erste Anlaufstelle gar nicht mal schlecht.)

Soviel dazu. Gehen wir an den grundlegenden Aufbau einer Ordensdarstellung mit ihren Muss so und Nö, lass mal.

Nach der durch Bischof Adalbero von Laon mit seinem 1025 veröffentlichten Gedicht Carmen ad Rotbertum regem, (der damit nebenbei bemerkt als Vordenker der mittelalterlichen Ständegesellschaft gilt) beschriebenen Dreiteilung der Gesellschaft in Arbeiter (laboratores), geistlichen Beter (oratores) und Kämpfer (bellatores) sollte die gewünschte Darstellung ausgewählt und diese konsequent umgesetzt werden. Denkt auch hier daran, dass es zwar "cool" sein mag in Rüstzeug mit Waffe herum zu laufen, doch bestand der überwiegende Teil der Orden aus Hörigen, Bediensteten, dienenden Brüdern und Schwestern, Halbbrüdern, Priesterbrüdern und Ritterbrüdern. In genau dieser Reihenfolge nach absteigender Anzahl der Personen je Stand. Wählt lieber eine vom Stand nicht so hohe Darstellung als euch mit einer schlecht umgesetzten höheren Unglaubwürdig zu machen. Auf die einzelnen Stände gehe ich hier bewusst nicht ein, das ist genug Material für einen weiteren Beitrag.

Gut, gehen wir ins Eingemachte oder besser in die Wolle. Wolle? Richtig gelesen. Wolle. Aus dieser bestand die Kleidung der Ordensmitglieder. Damit kommen wir schon zur ersten und wichtigsten Regel für die Kleidung.

Diese sollte vollständig aus ungefärbter, naturbelassener Wolle bestehen. Leinen war nur im heiligen Land von Ostern bis Allerheiligen gestattet. Vom Schnitt her orientierte sich die Kleidung der Ordensmitglieder über Jahrhunderte an ihren weltlichen Pendants. Mit einer großen Ausnahme: jeglicher Schmuck oder andere als die natürlichen Wollfarben war verboten.

Kommen wir zu den Einzelteilen der Kleidung.

Die grundlegende und praktisch immer, also auch im Schlaf getragene Kleidung bestand bei der Unterbekleidung aus einem bis Mitte Oberschenkel reichenden wollenen Leibhemd (Ausnahme siehe oben), einer ebenfalls aus Wolle gefertigten bruoch deren Länge über die Jahrhunderte zwischen knöchel- und knielang variierte. Das Leibhemd wurde als Zeichen der Keuschheit mit einem dünnen weißen Wollgürtel gegürtet.

Darüber trug das Ordensmitglied die Oberbekleidung.

Erstes und wichtiges Oberbekleidungsstück war die "hosen". Damit sind die für Männer bis über den Oberschenkel, für Frauen bis übers Knie reichenden Wollröhren gemeint, die bei Frauen immer, bei den Herren teilweise einen Fußteil aufweisen. Für letztere ist statt des Fußteils ein Steg unter dem Fuß möglich. Der mittelhochdeutsche Begriff "hosen" entwickelt sich zu dem modernen Wort Hose weiter und daran erinnert noch der etwas altmodische Begriff "ein Paar Hosen" - es waren ursprünglich zwei Einzelteile. Der heute in der Mittelalterszene oft verwendete Begriff "Beinlinge" ist eher modern. (Danke an "Katharina de Lo" für diesen Teil der Ausführung 😉 )

An den Füßen wurden schlichte in Wendetechnik aus Leder gefertigte Schlupfschuhe oder niedrige Stiefel getragen. Hohe Stiefel waren ebenso wie Spitzen, Schnallen, Schleifen oder Verzierungen verboten.

Das erste Kleidungsstück über dem Leibhemd war der etwa knöchellange roc bzw. Tunika, der einen Teil des monastischen Hausgewandes darstellte. Das heißt, dieses Kleidungstück wurde INNERHALB der Gebäude der Ordensniederlassung, der Kommende getragen.

Für Arbeiten, Reisen, Felddienst usw. war der Leibrock verbreitet. Dieser war mit einer Länge bis etwa ans Knie erheblich kürzer und durch Keile weiter geschnitten als die Tunika.

Die bis jetzt genannten Kleidungsstücke stellten die Mindestbekleidung dar, denn die Ordensbrüder durften nicht lediglich im Leibhemd in der Kommende umher wandeln.

Als Kopfbedeckung wurden Filzhut sowie eine in Verbindung mit dem Mantel abnehmbare Kapuze getragen. Gugel war nicht gestattet.

Als weiteres wärmendes Kleidungstück konnte analog der zivilen Mode der iupel bzw. sorchot über der Tunika getragen werden. Von ähnlichem Schnitt wie die Tunika weist dieses Überrock kürzere und weitere Ärmel als diese auf.

Kommen wir zum Erkennungszeichen des Ordensbruders schlechthin.

Dem Mantel, der als repräsentatives Kleidungsstück zusammen mit dem roc den Haushabit darstellt. Wie der Name sagt wurde der Mantel INNERHALB der Ordensgebäude getragen, er war das wichtigste Kleidungsstück während der Gottesdienste, den Mahlzeiten und den Kapiteln. Jeder Ordensbruder sollte über zwei Mäntel verfügen, von denen der für den Winter zweilagig und dazwischen mit Schafwolle gefüttert war. Verschlossen war dieser mit einfachen Schnüren. Tasselscheiben und Scheibenfibeln waren als Prunk verboten.

Welchen Stellenwert der Mantel besaß wird daran deutlich, dass der Mantel bei Verfehlungen als Strafe für eine bestimmte Zeit, bei Straftaten für immer weg genommen und der Täter somit aus dem Orden ausgestoßen wurde. Das tragen des Mantels außerhalb der Ordensgebäude auf Reisen war lediglich bei kurzen Reisen im Umfeld der Ordensniederlassung gestattet.

Zumal es für diesen Zweck mit der Cappa ein um einiges besser geeignetes Kleidungsstück gibt. Im Gegensatz zum Mantel muss diese nicht stängig zurecht gerückt werden. Die Cappa bestand ebenso wie der Mantel aus dichtem Loden, war aber im Gegensatz zu diesem etwa Knielang und vorn geschlossen.
Für die Darstellung ist zu beachten, dass es solche mit angenähter und gesonderter Kapuze ("beffe") gab.

Das war es im Prinzip mit der Kleidung. Zu den Unterschieden der einzelnen Stände komme ich in einem weiteren Beitrag; darin gehe ich mit den dem Orden angeschlossenen "sorores" noch auf eine Besonderheit des Deutschen Ordens ein.

Soweit die Fakten.

Kommen wir zu den oft auf sog. Mittelaltermärkten zu sehenden Fehlern die durch beachten der Ordensregeln vermeidbar wären.

Wäre als erstes der Mantel zu nennen der egal wann, wo und zu was getragen wird. Über der Tunika, dem Ringpanzer, dem Waffenrock, im Kampf oder zu nicht den Ordensregeln entsprechender Kleidung. Nö, ist nicht.

Schmuck. Keine Ringe, keine Ketten, keine Stickereien (nicht mal solche religiöser Art), keine farblichen Abweichungen. Nochmal nö.

Keine Waffen zur zivilen Darstellung. Die Unsitte ein Schwert, oft sogar OHNE Scheide, in der Armbeuge oder schräg am Gürtel befestigt in der zivilen Darstellung IM Mantel über Märkte zu schaukeln ist einer der Gründe für diesen Beitrag. Klar und deutlich gesagt müsst ihr euch für etwas entscheiden. Entweder tragt ihr Zivil, dann ist jegliche Waffe explizit verboten - die Waffen waren ausnahmslos beim Tross (Ausnahme Deutscher Orden: während der Feldzüge gegen die Pruzzen war dem einzel reisenden Bruder die Waffe erlaubt- das ist KEINE Ausrede für alle Orden und alle Zeitstellungen) oder ihr tragt, wenn ihr unbedingt mit Waffen laufen wollt, die volle militärische Ausrüstung. Die besteht aus der bereits genannten Unterkleidung, dem Rüstwams, Ringpanzer, Waffenrock, Helm, Waffen, Schild. Viel Spaß damit bei 30°C und mehr. 😀

Mit allem möglichen Anhängseln und (ausdrücklich verbotenen) Taschen voll gepackte Gürtel. Wieder ein großes NÖ. Gürtel gab es über dem Leibrock ODER über der Tunika. Daran war aber nichts befestigt. Wurde Überrock oder Cappa darüber getragen war der Gürtel nicht mehr sichtbar oder gar nicht mehr erreichbar. Sinnvoller sind hier die ebenfalls reglementierten Tragesäcke aus Leinen. Die beliebten Umhängetaschen aus gleichem Material sind leider ein "reenactorism" und nicht nachgewiesen.

Fingerhandschuhe. Wieder ein . Priesterbrüder durften Handschuhe tragen. Alle anderen nur zur Arbeit oder Faustandschuhe bei großer Kälte.

Hohe Stiefel. Dazu schrieb ich bereits oben etwas.

Umgang mit Nonnen oder den sorores des Deutschen Orden oder Frauen im Allgemeinen. Was genau ist an den Regularien zum Umgang mit Frauen unverständlich? Nonnen, Schwestern, Beginen, Frauen und Ordensbrüder die einträchtig zusammen über den Markt schlendern oder gar in der Taverne den Sitzritter bei Bier, Met und Kippen geben? Alles für sich gesehen ein absolutes LASST ES BLEIBEN. Männer für sich, Frauen für sich. Gebührender Abstand dazwischen.

Eine wirklich ernst gemeinte Aussage zum Abschluss. Im Prinzip ist es mir vollkommen egal wie jemand über ein grob mittelalterlich inspiriertes Volksfest läuft. Ich habe ebenfalls als Marktgänger nach dem Motto "Mittelalter ist das was ich dafür halte" angefangen, von daher verstehe ich das durchaus. Mit einer Ausnahme.

Wenn ihr Habit tragt, egal wie ungenau die Darstellung umgesetzt ist, sollte es selbstverständlich sein die Werte dessen zu respektieren für was die christlichen Orden stehen. Eine Äbtissin des Hospitaliterordens, die wie in Freienfels 2023 gesichtet in vollem Ornat mit ihren Schwertschauklern in der Taverne den Bierhumpen stemmt und eine Kippe quarzt ist ein klares NO GO. Entweder ist man in der Rolle oder man ist es nicht. Wenn ihr zur "Egal was ich mache, Hauptsache es macht Spaaaaaaaß" Fraktion gehört lasst die Finger von einer Ordensdarstellung und sucht euch etwas anderes.

Macht es richtig oder lasst es bleiben.

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