Nachdem ich längere Zeit hier nichts mehr geschrieben habe, gibt es heute einen bereits am 15. Juli auf Facebook veröffentlichten kleinen Rückblick auf das zurück liegende Büdinger Mittelalterfest am 13. und 14. Juli 2019. Hier mit kleineren Erweiterungen.
Wie immer nach einem Marktbesuch steht die Nacharbeit an. Meine Gewandungen sortieren, die durchgeschwitzte leinene Leibwäsche in die Waschmaschine stecken, das Wollzeug nach dem Lüften und Ausbürsten wieder ordentlich Mottensicher verpacken (drei Lagen Wolle sind bei 20°C definitiv zu viel) und die „Beute“ (nicht viel... nur einen Fingerrosenkranz, eine Wollmütze in Form einer Pillbox für eine Ordensdarstellung) vom Wochenende auf dem für mich dreitägigen Büdinger Mittelaltermarkt verstauen.
Freitag Abend für die zwanglose Feier an der Lagertaverne war ich als dänischer Handwerker in Wolle unterwegs und das war anfangs trotz nicht sehr sommerlichen 20°C und gelegentlichem Regen ziemlich warm, zur fortgerückteren Stunde kam dann noch der in weiser Voraussicht mit genommene Rechteckmantel zum Einsatz, am Samstag bei ähnlichen Temperaturen musste der Pilger nach Kreuzfahrerbibel auf Wanderschaft gehen. Untertunika aus Leinen, lange Bruche, Beinlinge und lange Übertunika aus Schurwolle sind doch eher etwas für die kälteren Jahreszeiten. Wie haben das die Leute früher ausgehalten??
Sonntag wollte ich eigentlich komplett in Leinen gehen, für sommerliche Märkte habe ich mir extra Bruche, Beinlinge, Hosen und Übertuniken aus leichten Leinenstoffen genäht, entschied ich mich angesichts der am Morgen recht frischen Witterung doch wieder für meinen dänischen Handwerker. Hätte ich mal den ursprünglichen Plan verfolgt. Wolle über Leinen hält wirklich warm. 🙂
Ansonsten Rekapitulieren wie der Markt war.
Vorab: wer unsere kleine Stadt nicht kennt- wir haben eine fast vollständig erhaltene mittelalterliche Altstadt die von einer bis auf einen Turm kompletten Befestigungsanlage aus dem frühen 16. Jahrhundert umringt wird. Zusammen mit dem von der Familie Fürst zu Ysenburg und Büdingen bewohnten Schloss bietet die Altstadt ein Ambiente, das für Mittelaltermärkte oder solchen mit späteter Zeitsetzung geradezu prädestiniert ist.
Kurz und gut, in der weitläufigen Altstadt fanden sich rund um die Festungsmauern die lagernden Gruppen (die sich wie zu oft auf Märkten zu beobachten ist vielfach von den Besuchern abschotteten), auf den Plätzen und Gassen sehr viele Händler unterschiedlichster Waren und Qualitätsstufen, darstellendes Handwerk und natürlich viele Stände mit oft nicht sehr mittelalterlichen Speisen und Getränken. Gaukler, Spielleute, fahrendes Volk fehlte ebenso wenig wie Kinderbetreuung und einen (gestellten) Viehmarkt- welches Kind aus der nahen Großstadt Frankfurt weiß wie ein lebendes Huhn, eine Kuh oder eine Ziege in echt aussieht?
Für meine Begriffe ein trotz einiger Schwächen gelungener Markt für den sich die Verantwortlichen der Stadt und der örtliche Mittelalterverein ziemlich in Zeug legten.
Doch wo Licht ist, findet sich auch Platz für Verbesserungen. Mich irritierte das meiner Ansicht nach Überangebot an eher nicht als mittelalterlich einzustufenden Angeboten und Kunststoff, wie an zwei Ständen gesehen, hat auf so einem Fest nun rein gar nichts zu suchen. Das dürfte allerdings der sehr großen verfügbaren Fläche geschuldet sein. Die belebt bekommen ist eine nicht ganz triviale Aufgabe.
Was ich sehr vermisste war eine bessere Wegführung. Die Stände auf dem ursprünglichen Marktplatz zwischen Schloss und Kirche hätten etwas mehr Aufmerksamkeit verdient. Die Wege dort hin laufen an den üblichen Hauptstraßen vorbei. Das ist etwas worauf die nach Aussage einiger Händler nicht sehr präsente Orga für künftige Veranstaltungen dringend achten müsste. Als Ortsansässiger weiss ich wie man dort hin kommt, Fremde liefen einfach vorbei, denn der Weg zum Schloss führt bekanntermaßen zwischen eng stehenden Häusern und einer schmalen Gasse am Rand der Altstadt entlang.
Ebenso waren lediglich zwei Händler vor Ort die ich als erstklassig bezeichnen würde. Erstklassig im Sinn von Reenactment bzw. Living History mit historisch korrektem Warenangebot. Einmal Jörg Schifferstein mit seinen spätmittelalterlichen Gürtel- und Knopfreplikaten und „Sir Longpepper“ mit seinen teilweise exquisiten Gewürzen. Gut, ich stelle mittlerweile andere Ansprüche an Märkte als der „normale“ Marktbesucher, der seine Kleidung und sonstige Ausstattung über den Versandhandel bezieht und es als mittelalterlich ansieht. Völlig in Ordnung, in dem Hobby "Mittelalter oder das man dafür hält" hat jede Spielart ihre Berechtigung… obwohl ich wirklich nach Legolas oder Gimli Glóinson Ausschau hielt nachdem mir zwei Uruk-Hai über den Weg liefen. Die in einer Darstellung vereinten 1000 Jahren Geschichte oder die sehr oft gesichteten interessanten Interpretationen von Sven Schlammlederson oder die mit Hornhalfter und Fell "ambientig" ausstaffierten Besucher fallen da schon gar nicht mehr sonderlich auf. 😉
Und doch vermisste ich ein wenig die Ausgewogenheit. Keine Stoffhändler mit Ausnahme des örtlichen Schneidergeschäftes, das zwar wie drei weitere Stände Fertigwaren der bekannten Marken anboten, doch war auch hier die Auswahl an zeitlich passenden Stoffen für Eigenanfertigungen sehr beschränkt. Oder einfacher gesagt- nicht vorhanden. Polyester und Baumwollstoffe gehen halt gar nicht. Accessoires waren mit Ausnahme vom bereits genannten Jörg Schifferstein nicht für Geld und gute Worte zu bekommen. Keine guten Lederwaren, kein Schuhmacher für tatsächlich historische Schuhe, dafür eine Korbmacherin, ein Seifensieder, ein Kerzenzieher, ein Töpfer und ein Färber als darstellendes Handwerk wild über die Altstadt verteilt. Ansonsten das bekannte Angebot an industriell hergestellten "Mittelalterwaren". Tücher, Kerzen, Holzspielzeug, Schmuck, Steine. Steine??
„Jungsspielzeug“ gab es an einem Stand im Oberhof, doch auch das war lediglich Handelsware von der Stange. Qualitativ gute Händler bzw. Handwerker in der Sparte waren Fehlanzeige. Schade drum, vielleicht das nächste Mal.
Schöner wäre es gewesen das darstellende Handwerk um den Oberhof zu vereinen und die Essensstände auf dem Marktplatz zu konzentrieren. Möglicherweise hätten das einige Lagergruppen animiert am darstellenden Handwerk teilzunehmen, denn aus meiner Erfahrung weiss ich, dass darunter oft wirklich ausgezeichnete Handwerker zu finden sind. Die wirklich sehr guten Märkte in Worms, Freienfels und Schlotzau beweisen dies immer wieder aufs Neue.
Absolutes Highlight war für mich das Konzert der Celtic Rock Band "Garden of Delight" die der örtliche Irish Pub Inhaber für ein Konzert unabhängig des Mittelaltermarktes in seinem Hof engagierte. Wenn ihr mal nach Büdingen kommt: Costas Irish Pub ist ein Besuch wert.
So genug genörgelt. 😀
Obwohl- ein etwas ernsteres Thema habe ich noch. Ich weiß nicht was in den Köpfen mancher Zeitgenossen vorgeht, wenn sie mitten in der Nacht Absperrungen beiseite räumen um mit ihren motorisierten Schwanzverlängerungen der Gattung AMG & Co durch die Gassen mit den eng gestellten Verkaufsständen zu rasen, diese beschädigen und einfach abhauen. Oder später in grölenden Gruppen durch die Altstadt ziehen und versuchen Verkaufsstände umzuwerfen oder Zeltplanen aufzuschlitzen. Dies wurde mir unabhängig voneinander von drei Händlern berichtet.
Die Störenfriede wurden ziemlich deutlich beschrieben. Undercut, Vollbart, dunkler Teint, sehr teure Autos, nach Ansprache widerlichstes Vokabular. Diese Typen machen sich, seit sie in den Großstädten vermehrt Druck bekommen, in den nahen Kleinstädten breit und verhalten sich letztendlich in Ermangelung empfindlicher Konsequenzen unter aller Granate.
Wie konnte das kommen? Das Sicherheitskonzept war nach Aussage der Händler mit denen ich sprach suboptimal. Die Organisatoren hatten es wohl versäumt die Sicherheitsfirma für die Nacht von Samstag auf Sonntag zu buchen. Ein Versäumnis, das den an sich interessanten Markt in ein nicht so gutes Licht bringt. Da werden im Nachgang sicher noch einige Gespräche geführt werden.
Denn unter diesen Voraussetzungen werden es sich einige Händler dreimal überlegen nochmals nach Büdingen zu kommen. Nicht ganz optimale Witterungsbedingungen sind geschenkt, nicht sehr kaufwillige Besucher ebenfalls. Wenn es einige wenige schaffen einen Markt mit ihrem ekelhaften Verhalten zu sabotieren ist alle Mühe, aller Einsatz, aller Enthusiasmus vergebens.