Nach einem Beschluss der Stadtverordneten soll die Altstadt ab April 2019 an Wochenenden für Durchgangsverkehr gesperrt werden. Hierzu der Bericht in der Lokalpresse.
Damit wird endlich wahr, was viele Anwohner der Altstadt nicht mehr zu Hoffen wagten. Der besonders in den Abendstunden und speziell an Wochenenden unerträgliche Terror durch permanentes "Cruisen" der immer gleichen PS- starken Pkw in den engen Gassen der Altstadt hat bald ein Ende. Vorbei mit brüllenden Motoren, dröhnenden Auspuffanlagen, quietschenden Reifen, nerviger Beschallung aus überlauten Musikanlagen, zu geparkten Gehwegen, durch Unbefugte belegte Behindertenparkplätze.
Bahn frei für eine zielgerichtete Entwicklung um die Büdinger Altstadt zu einem tatsächlichen touristischen Kleinod heraus zu putzen. In jedem Fall wird mit der zeitweisen Sperrung ein erster wichtiger Schritt gegangen. Hoffentlich folgen noch viele weitere. Mehr dazu weiter unten.
Die Diskussionen in den sozialen Medien zur Sperrung sind zwiegespalten. Während die überwiegende Mehrheit der Diskutanten die Maßnahme klar befürwortet, finden sich etliche die mit seltsam anmutenden Gründen dagegen votieren. Verfolgt der interessierte Leser diese Diskussionen etwas aufmerksamer, fällt auf, dass die "Dagegen" Fraktion eigentlich nur aus purem Egoismus "dagegen" ist. Faulheit, Bequemlichkeit, Ignoranz kann in vielen Beiträgen erkannt werden.
Oft zu lesen ist das Pseudoargument "mein Mapf-2-go wird kalt" als Grund für eine Ablehnung. Was genau spricht dagegen das Auto rund um die Altstadt auf einem der Parkplätze zu parken, zu einem der Restaurants zu laufen, dort Platz zu nehmen und die gewünschte Mahlzeit vor Ort zu verzehren? Als Nebeneffekt kann man noch neue Leute kennen lernen, möglichweise ergeben sich vielleicht einige nette Gespräche?
Wie wäre es mit einem keinen Experiment? Das Auto auf dem Parkplatz "Schlossmühle" abstellen, tatsächlich mal Beine und Füße nutzen und zum Restaurant "Stern" (aktueller Name fällt mir gerade nicht ein) vor dem Untertor laufen. Das ist mit die weiteste Strecke von einem Parkplatz in Altstadtnähe zu einem Restaurant. Ich habe es ausprobiert. Mit gemütlichem Schritt waren es acht Minuten. Von den anderen Parkplätzen noch weniger.
Zugegeben ist es zu Fuß durch die Altstadt gehen zur Zeit nicht gerade ungefährlich. Zu geparkte Gehwege, von den üblichen Bekloppten, denen Fussgänger, Tempolimits und Verkehrsregeln insgesamt vollkommen egal sind nicht zu reden. Zum Glück hört die Schau der fahrbaren Kompensationsgeräte zumindest an Wochenenden bald der Vergangenheit an.
Versenkbare Poller an den Zufahrten der Altstadt mit Chipkartensystem, Karten für Anwohner und Berechtigte die aus nachvollziehbaren Gründen an den Sperrzeiten in die Altstadt fahren müssen, Vorrangschaltung für Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst mit Schlüssel wäre eine Lösung. Stabil, robust und sieht besser aus als eine Schranke die wahrscheinlich nicht lange halten würde.
Das funktioniert völlig ohne Probleme. In Lorsch an der Bergstrasse sind diese Poller in den Zufahrten rund um die (vor nicht allzu langer Zeit eingerichteten) Fussgängerzone vor den Überresten des Klosters und der karolingerzeitlichen Torhalle verbaut. Es ist ein Wohltat dort vor Cafes und Restaurants oder dem parkähnlichen Gelände des ehemaligen Klosterareals sitzen und ohne Lärm aus vorbei bollernden Autos und ungewollter Musikbeschallung eine schöne Zeit verbringen zu können. Dort kann man sogar über die Straßen laufen ohne in Gefahr zu geraten über den Haufen gefahren zu werden.
Ein ebenfalls angeführtes "Dagegen" Argument ist die durch die Sperrung verschärfte Parkplatzsituation. Das lasse ich nicht gelten. In Büdingen gibt es genügend Parkplätze. Maximal zehn Minuten von den Parkplätzen rund um Volksbank, Sparkasse, Sportplatz, Stadtverwaltung, Schlossmühle zu Fuss in die Altstadt sind für jeden zu bewältigen.
Zudem entstand mit dem Abriss der ehemaligen "Militärregierung" ein Areal, das durchaus einer Parkraumbewirtschaftung zugeführt werden kann. Was spricht dagegen auf diesem Platz ein Parkhaus zu errichten? Wer dieses baut und bewirtschaftet ist erst einmal zweitrangig, doch könnte ein in der Nähe der Altstadt gelegenes Parkhaus viel zur positiven Entwicklung beitragen. Eine weitere Massnahme wäre es den Altstadtparkplatz zu den Sperrzeiten ausschließlich für Altstadtbesucher mit zeitlicher Limitierung der Parkdauer von beispielsweise zwei Stunden vorzuhalten. Das sollte zumindest in der Anfangszeit regelmäßig kontrolliert werden.
Mein Traum ist es in zehn Jahren viele Besucher und natürlich auch Einheimische zu sehen, die durch unsere Altstadt flanieren, in der Neustadt vor einem Restaurant, auf dem gemeinschaftlich von den ansässigen Gaststätten und Cafes bewirtschafteten Damm sitzen, sich die Angebote der mit Förderprogrammen gezielt in den leer stehenden kleinen Geschäften angesiedelten Kunsthandwerker anschauen (und natürlich auch einkaufen) und die umfangreichen kulturellen Angebote nutzen.
Andere Städte haben es mit viel weniger Potential erreicht. Das Beispiel Lorsch nannte ich nicht ohne Grund. Die Torhalle aus der Karolingerzeit sollte ebenso wie die Überreste des Klosters abgebrochen, das Gelände als Bauland genutzt werden. Zum Glück gab es dort Menschen mit Weitblick, die das Potential erkannten, an einem Strang zogen, ein umfassendes Entwicklungsprojekt anstießen und umsetzten.
Heute sind die Überreste des Klosters UNESCO Weltkulturerbe mit positiven Auswirkungen für die Stadt.
Büdingen hat mit der vollständig erhaltenen Altstadt und der Befestigungsanlagen einiges mehr zu bieten als ein Klosterruine und ein erhaltenes Gebäude.